Ein Bauernsohn wird Heuermann
Die Bauerschaft Bokel ist wahrscheinlich in nachfränkischer Zeit (nach 800) entstanden. Wie überall, sind auch hier die neun Vollerben als älteste Siedelstätten anzusehen. Unter ihnen befindet sich der Hof Dobbelhoff.
Der Name dieses Hofes ist abzuleiten von Würfeln, jenen aus Knochen oder Stein hergestellten geometrischen Körpern, die der Ausübung eines uralten Glücksspiels dienen. Diese Würfel wurden in unserer Heimat als »Dobbelsteine«, das Würfeln selbst als »Dobbeln« bezeichnet. Der Ausdruck findet sich bereits im Satebrief der Quakenbrücker Burgmannschaft von 1422, in dem es u. a. heißt: »Umme dobelen zahl nyman den anderen bynnen Quakenbrugghe bekummern oft spannen« (d. h. wegen Würfelspiels soll in Quakenbrück niemand verklagt oder in den Block gespannt werden).
In einer Urkunde aus Suttrup vom Jahre 1781 wird das würfelförmige Muster eines Leinentuches als »Dobbelstein« bezeichnet, und noch heute wird in Holland der Würfel mit diesem Ausdruck belegt. Auf dem Hofe zu Wähde in Dalvers befinden sich Dobbelsteine als Wappen in der steinernen Einfassung des Hofbrunnens, eine Erinnerung an die Zeit (1724), als Johann Wichard Dobelmann aus Renslage auf den Hof zu Wähde heiratete.
Vermutlich ist der Ursprung des Namens in Bokel darauf zurückzuführen, daß der dortige Hof als Hauptacker ein würfelförmiges Landstück besaß, etwas Ungewöhnliches in der Bauerschaft, wo im allgemeinen das Hauptackerstück in einem breiten und ziemlich langen Streifen über die Flur ging.
Der Dobbelhoff in Bokel war ursprünglich Eigentum der Grafen von Oldenburg und an die Edelherren von Hastorpe zu Lehen ausgetan. Die Bauern und ihre Kinder waren unfrei (eigenbehörig), konnten von dem Grundherrn zu knechtischen Diensten herangezogen, von ihm vertauscht oder verkauft werden. Im Jahre 1267 übertrug Hermann von Hastorpe die eigenbehörige Aleid Dobelere aus Bokel mitsamt ihren Kindern dem Kloster Bersenbrück. Das Kloster erwarb 1333 auch den Hof Dobbelhoff, der seither Klostereigentum geblieben ist. Unter den »Closterluden to bersenbruck« wird 1441 Ludeken to dobelhove erwähnt, der keine Bede (Steuer) zu zahlen hatte.
Die von dem Hofe zu leistenden Abgaben betrugen um 1500:
a) an den Grundherrn: 4 Malter Roggen, 6 Malter Hafer, 1 Schilling Rente, 1 Eimer Butter,
b) an den Landesherrn: 6 Schilling Herbstschatz, 3 Schilling Lichtmessbede, 2 Schillinge Rindergeld, 8 Schillinge Rodenhafer (auch Hundehafer genannt), 1 Schaf.
Hinzu kamen noch die Abgaben an die Pfarrkirche zu Ankum, an den Gografen und den Vogt. Der Hof, 1657 als »Dobbelhoff« erwähnt, war als Vollerbe in der Gomark (Oberholzgrafschaft des Klosters Bersenbrück) mit einer vollen Ware berechtigt und durfte 27 Schafe zur Weide eintreiben.
Um 1680 übernahm Johann Dobbelhoff den Hof in Bokel und verheiratete sich mit Anna auf Lage. Im Jahre 1694 wurde dem Ehepaare ein Sohn Johann Henrich geboren, bei dem es sich aber nicht um den künftigen Anerben und Nachfolger des Bauern handelte.
Das Anerbenrecht wurde im Osnabrücker Nordlande unterschiedlich gehandhabt und war oft von Bauerschaft zu Bauerschaft verschieden. Bei eigenbehörigen Höfen wurde es aber meistens zu Gunsten des jüngsten Sohnes angewandt. Die anderen Kinder erhielten eine »billige Abfindung«, damit der Hof in seinem Bestande nicht gefährdet wurde und mussten sich anderweitig ihr Auskommen suchen.
So war es auch mit Johann Henrich Dobbelhoff. Aus der persönlichen Gebundenheit durch die Eigenbehörigkeit entsprang die Verpflichtung, dass Söhne und Töchter, die den elterlichen Hof verliessen, sich aus der Hörigkeit durch eine Geldsumme befreien mussten. Da Freikäufe meistens dann erforderlich wurden, wenn eine Tochter oder ein abgehender Sohn auf eine andere Stätte heiratete, wurden Freilassung und Eheschließung in der Volksanschauung nach und nach gleich gesetzt. Im Plattdeutschen unserer Heimat bedeutet daher heute noch »freien« dasselbe wie »um einander werben«.
Johann Henrich Dobbelhoff befreite sich also aus der Eigenbehörigkeit und verheirate sich 1729 mit Anna Margarete Reilmann. Das Ehepaar pachtete (»heuerte«) von den Herren von Hammerstein auf Gut Loxten das Vollerbe Lange in Suttrup, das zu dieser Zeit unbewohnt und unbewirtschaftet war.
Es war damals üblich, dass abgehende Söhne den ersten Silben ihres Familiennamens die Endung »-mann« anhängten, um damit auszudrücken, daß sie zwar von einem bestimmten Hofe stammten, aber keine Besitzer, sondern abgegangene Söhne waren. So nannte sich im vorliegenden Falle Johann Henrich nicht mehr Dobbelhoff, sondern Dobbelmann oder Dobelmann.
Erstmalig erscheint dieser Name 1766 im Ankumer Sterberegister mit »Johan Henrich Dobbelman oder Dobbelhoff«. Seither hieß dieser Zweig der Familie Dobelmann, während die Bauern auf dem Hofe in Bokel den ursprünglichen Namen weiterführten.
Um 1760 übernahm der 1831 geborene Johann Gerd Dobelmann, verheiratet mit Anna Katharina Margarete Middendorf, von seinem Vater den Hof Lange in Suttrup. 1761 wird »Johan Gerdt Dobelmann auf Langen Erbe«, 1788 »der Heuermann auf Lange Erbe in Suttrup, Gerdt Dobelmann« und 1792 »Dobelmann auf Langen Erbe« erwähnt.
Der 1762 geborene Sohn Johann Heinrich Dobelmann übernahm nicht die Pachtung des Hofes Lange, sondern heiratete 1786 auf den Markkotten Hoffmann (1690 Johann Hoff) in Suttrup. Er hieß seither »Col. Hoffmann sive Dobelmann« (1791) und erscheint 1792 als »Johan Hinrich Dobelmann auf Hoffmann«. Da seine Frau bereits 1794 verstarb, verheiratete er sich zum zweiten Male.
Der Markkotten Hoffmann ging in der Erbfolge an den Sohn aus erster Ehe über. Der in der zweiten Ehe 1795 geborene Sohn Johann Gerhard Heinrich Dobelmann verheiratete sich 1826 mit Lucia Elisabeth Brömlage und bezog als Heuermann eine Hälfte der Leibzucht des Erbkottens Brömlage in Suttrup. Auf Grund der Herkunft vom Markkotten Hoffmann wurden er und seine Nachkommen im Volksmunde (bis auf den heutigen Tag) auch »Hofer« genannt.
Um 1835 übernahm Johann Gerhard Heinrich Dobelmann als Heuermann (Pächter) den Markkotten Gr. Meese in Suttrup, gab ihn aber nach einigen Jahrzehnten wieder auf. Er wurde nun Heuermann auf dem Markkotten Vissmann in Suttrup, wo er neben der Landwirtschaft eine Schenkwirtschaft unterhielt. 1859 wird der »Schenkwirth Gerd Heinrich Dobelmann auf Fissen« erwähnt.
Sein 1843 geborener Sohn Johann Gerhard Wilhelm Dobelmann blieb nicht auf dem Markkotten Vissmann. Als er sich 1874 mit Anna Maria Gramann verheiratete, siedelte er in ein dem Gute Loxten gehörendes Doppelheuerhaus, nördlich der Landstraße Nortrup-Vehs, über.
Von seinen drei Söhnen übernahm der älteste eine Heuerstelle in Nortrup, der jüngste die väterliche Heuerstelle in Suttrup. Der mittlere wurde in Münster sesshaft. Sein Nachkomme ist der Verfasser dieses Aufsatzes.